Auch die Onkologie und Hämatologie hat ein Nachwuchsproblem. Obwohl jährlich zwischen 20 und 30 Jungärztinnen und Ärzte die Fachprüfung ablegen und rund 90 Prozent davon bestehen. Weshalb das so ist, wollen wir in unserer Serie „zu wenig Nachwuchsärzte“ herausfinden.
Von Carole Bolliger
Lesen Sie hier das Interview mit Prof. Dr. med. Thomas Ruhstaller, Medizinischer Onkologe, CEO des Tumor & BrustZentrums Ostschweiz.
Thomas Ruhstaller, auch in der Onkologie und Hämatologie fehlt es an Nachwuchs. Wieso?
Einer der Hauptgründe ist sicherlich der Respekt vor dem Fach. Es ist ein kompliziertes Fachgebiet, ein Bereich, in dem sich der Allgemeininternist nicht auskennt.
Ist der Beruf des Onkologen und Hämatologen weniger attraktiv als andere Fachbereiche?
Im Gegenteil. Unser Fachbereich ist hochinteressant und sehr attraktiv. Es gibt wenige Bereiche in der Medizin, bei denen es so viel Innovation gibt wie in der Onkologie und Hämatologie. Jeder dritte Mensch in der Schweiz stirbt an Krebs, aber die Hälfte der Tumore können wir auch heilen. Uns geht die Arbeit in Zukunft sicherlich nicht aus
Sie sagen, dass der Beruf hochinteressant für Nachwuchsärzte ist. Was müsste sich trotzdem ändern, um ihn noch attraktiver zu machen?
Ich denke, es bräuchte auf der Inneren Medizin mehr Rotationsstellen. Assistenzärztinnen und Ärzte, die sozusagen in der Onkologie „schnuppern“. Denn, was genau Onkologie ist und was wir Onkologen machen, ist vielen zu wenig bekannt und bewusst. Die jungen Ärztinnen und Ärzten müssten vor allem in die Praxen. Denn dort sehen sie die „normale“, ambulante Onkologie.
Was meinen Sie mit „normale“ Onkologie? Ist die Onkologie in Spitälern so anders?
In den Spitälern sieht man fast nur die terminalen oder sehr schweren Fälle. 90-95 Prozent, was unsere Arbeit ausmacht, passiert aber draussen in den Praxen. Dort müssen die jungen Leute hin, um überhaupt zu sehen und erleben, was unseren Beruf ausmacht.
Was braucht es noch, damit sich noch mehr Jungärztinnen und Ärzte für die Fachrichtung Onkologie/Hämatologie entscheiden?
Attraktiv ist hier sicherlich das Teilzeitmodell, das in unserem Fachgebiet eigentlich gut umsetzbar ist. In unserem Betrieb arbeiten 13 Onkologinnen und Onkologen, mehr davon in Teil- als Vollzeit. Sobald man im ambulanten Setting arbeitet, also in Praxen, kann man sehr gut in Teilzeit arbeiten. Ein weiterer Grund, in einer Praxis tätig zu sein.
Nicht wenige Ärzte arbeiten 50-60 Stunden die Woche. Bei den Onkologen sieht das nicht anders aus. Was könnte hier Entlastung bringen?
Für uns eine zunehmende Entlastung bringt die Spezialisierung. So lange man als Onkologe breit aufgestellt ist, ist man schneller überfordert und unter Druck von der ständigen Innovation. Einfacher ist es, subspezialisiert zu sein auf einem Fachgebiet. Dadurch fühlt man sich auf seinem Gebiet sicherer, hat weniger Druck. Der Onkologe, der die ganze Bandbreite der Onkologie abdeckt, hat mehr Wissensdruck.
Was ist sonst noch wichtig? Der Lohn?
Onkologen verdienen ähnlich wie andere internistische Spezialisten, wir rechnen zu den selben Tarifen ab. Daran liegt es wohl nicht. Auch ganz wichtig finde ich für die Attraktivität, als Onkologe in einem Team zu arbeiten. Es ist wichtig, alles mit Fachkolleginnen und Kollegen besprechen, sich austauschen und den Druck teilen zu können. Alleine in einer Praxis zu arbeiten, ist aus meiner Sicht ein Auslaufmodell in der Onkologie.
Prof. Dr. med. Thomas Ruhstaller, Medizinischer
Onkologe, CEO des Tumor & BrustZentrums Ostschweiz
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